Schädliche GmbH-Anteilsübertragung

§ 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 a.F. versagt den Verlustabzug auch dann vom Zeitpunkt der schädlichen Anteilsübertragung an, wenn die Zuführung des neuen Betriebsvermögens dieser zeitlich nachfolgt1.

Der Verlustabzug ist (ggf. rückwirkend) in dem Feststellungsbescheid zum 31.12 desjenigen Veranlagungszeitraums zu versagen, in welchem die schädliche Anteilsveräußerung stattgefunden hat. Eine Versagung des Verlustabzugs erst in dem Bescheid zum 31.12 des nachfolgenden Veranlagungszeitraums ist nicht möglich.

Bei Körperschaften ist gemäß § 8 Abs. 4 KStG 2002 a.F. Voraussetzung für den Verlustabzug nach § 10d EStG 2002, dass die Körperschaft nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat (Satz 1). Wirtschaftliche Identität liegt insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wieder aufnimmt (Satz 2). Auf die gewerbesteuerlichen Fehlbeträge ist § 8 Abs. 4 KStG 2002 a.F. entsprechend anzuwenden (§ 10a Satz 8 GewStG 2002 a.F.).

Im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall bedeutet dies: Nach der den angefochtenen Feststellungsbescheiden zugrunde liegenden Auffassung des Finanzamt liegt im Streitfall die in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG 2002 a.F. beschriebene Konstellation vor, weil mit der Kapitalerhöhung um nominal 25.000 EUR und der Übernahme des neu entstandenen Geschäftsanteils durch die Holding-AG am 30.05.2005 -unter Berücksichtigung der vorangegangenen Veränderungen im Beteiligungsstand der Altgesellschafter- eine schädliche Anteilsveräußerung von mehr als der Hälfte der Geschäftsanteile vollendet worden sei und die GmbH ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen -in Form der bis in das Jahr 2006 hinein geleisteten ratierlichen Zahlungen der Holding-AG auf das übernommene Agio- fortgesetzt habe.

Träfe diese Beurteilung zu -und hätten entsprechend der Auffassung des Finanzamt nicht die Voraussetzungen der sog. Sanierungsklausel des § 8 Abs. 4 Satz 3 KStG 2002 a.F. vorgelegen-, hätte dies zur Rechtsfolge, dass der Verlustabzug für jene Verluste, die bis zum Zeitpunkt der schädlichen Anteilsveräußerung entstanden waren, ausgeschlossen ist. Vom Abzugsausschluss umfasst wären zum einen der zum 31.12 2004 festgestellte verbleibende Verlustabzug zur Körperschaftsteuer (vortragsfähiger Gewerbeverlust) als auch die vom Beginn des Wirtschaftsjahrs 2005 bis zum 30.05.2005 -dem Zeitpunkt der schädlichen Anteilsveräußerung- entstandenen Verluste (§ 8 Abs. 4 Satz 4 KStG 2002 a.F.).

Der Zeitpunkt der schädlichen Anteilsveräußerung ist auch in jenen Fällen der für den Ausschluss des Verlustabzugs maßgebliche Zeitpunkt, in denen -wie hier nach Auffassung des Finanzamt der Fall- die Zuführung des neuen Betriebsvermögens der schädlichen Anteilsveräußerung zeitlich nachfolgt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs2, an der festzuhalten ist, sieht § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a.F. den Ausschluss des Verlustabzugs nicht erst ab dem Zeitpunkt der Verwirklichung sämtlicher Tatbestandsmerkmale und dem damit eintretenden Verlust der wirtschaftlichen Identität vor. Vielmehr versagt § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG a.F. den Verlustabzug vom Zeitpunkt der schädlichen Anteilsübertragung an, ggf. also rückwirkend. In der Interimsphase zwischen schädlichem Anteilseignerwechsel und schädlicher Betriebsvermögenszuführung entstandene Verluste bleiben abzugsfähig.

Verfahrensrechtlich folgt aus dem Vorstehenden, dass der Ausschluss des Verlustabzugs stets im Feststellungsbescheid zum 31.12 desjenigen Veranlagungszeitraums vorzunehmen ist, in welchem die schädliche Anteilsveräußerung stattgefunden hat. Denn gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG 2002 (i.V.m. § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 a.F.) ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Entsprechendes gilt gemäß § 10a Satz 4 GewStG 2002 a.F. für den gewerbesteuerlichen Fehlbetrag. Tritt der Verlust der wirtschaftlichen Identität erst zu einem späteren Zeitpunkt ein, sind jene Verlustfeststellungsbescheide im Rahmen der dafür bestehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten ggf. rückwirkend zu ändern.

Für den hier entschiedenen Streitfall ergibt sich daraus, dass eine Versagung des Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes aus den vom Finanzamt angeführten Gründen nicht in den verfahrensgegenständlichen Bescheiden zum Feststellungszeitpunkt 31.12 2006 vorzunehmen gewesen wäre, sondern in den Feststellungsbescheiden zum Feststellungszeitpunkt 31.12 2005. Eine zeitliche Verlagerung der Versagung des Verlustabzugs bzw. Verlustvortrags in die zum 31.12 2006 zu erlassenden Feststellungsbescheide ist ausgeschlossen. Denn der verbleibende Verlustvortrag ist gemäß § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 definiert als die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 der Vorschrift abgezogenen und die nach Abs. 2 der Vorschrift abziehbaren Beträge, vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag. Da das Gesetz hinsichtlich der in früheren Veranlagungszeiträumen entstandenen Verluste auf den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums „festgestellten“ Verlustvortrag abstellt, ist der Feststellungsbescheid auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums insoweit Grundlagenbescheid für den Feststellungsbescheid auf den Schluss des nachfolgenden Veranlagungszeitraums3. Der in dem Vorjahresbescheid festgestellte Verlustvortrag ist damit im Rahmen des Erlasses des Folgebescheids nicht auf seine materielle Richtigkeit hin zu prüfen. Entsprechendes gilt für den vortragsfähigen Gewerbeverlust, der gemäß § 10a Satz 4 GewStG 2002 a.F. jeweils gesondert festzustellen ist4.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 27. Juni 2018 – I R 13/16

  1. Bestätigung von BFH, Urteils vom 05.06.2007 – I R 9/06, BFHE 218, 207, BStBl II 2008, 988[]
  2. BFH, Urteil vom 05.06.2007 – I R 9/06, BFHE 218, 207, BStBl II 2008, 988; dem folgend BMF, Schreiben vom 04.12 2008, BStBl I 2008, 1033[]
  3. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 21.01.2004 – VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551; Pfirrmann in Kirchhof, EStG, 17. Aufl., § 10d Rz 22[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 28.02.2001 – I R 77/00, BFH/NV 2001, 1293[]