Vermögensverwaltung oder Gewerbe – oder: der Ankauf notleidender Darlehensforderungen

Bei einem Forderungskäufer kommt es zur Beurteilung der Frage der Nachhaltigkeit seiner Tätigkeit nicht auf die Verwertungs-, sondern auf die Beschaffungsseite an. Der nachhaltige Ankauf von notleidenden Darlehensforderungen nebst Sicherungsrechten begründet nicht ohne Weiteres die Annahme einer originär gewerblichen Tätigkeit des Forderungskäufers.

Vermögensverwaltung oder Gewerbe – oder: der Ankauf notleidender Darlehensforderungen

Ob die Tätigkeit eines Forderungskäufers die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschreitet, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen.

§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Übrigen, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet1.

Das Merkmal der Nachhaltigkeit dient dazu, nur gelegentliche Aktivitäten aus dem Bereich der gewerblichen Tätigkeit auszuschließen. Eine Tätigkeit ist regelmäßig nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist, also eine Wiederholungsabsicht in der Weise besteht, dass weitere Geschäfte geplant sind2. Liegen tatsächlich zwei Geschäfte vor, wird das Vorliegen der Wiederholungsabsicht vermutet. Tätigt der Steuerpflichtige hingegen nur ein Geschäft, liegt kein nachhaltiges Handeln vor, wenn sich die Wiederholungsabsicht nicht aus anderen Umständen feststellen lässt3.

Abzustellen ist für die Nachhaltigkeit auf die Geschäfte, die die gewerbliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausmachen. So kommt es zum Beispiel beim Händler, dessen Tätigkeit auf den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten gerichtet ist, auf ein wiederholtes Tätigwerden auf der Absatzseite an; ein wiederholtes Tätigwerden auf der Beschaffungsseite reicht demgegenüber nicht aus4. Bei einem Forderungskäufer hingegen ist zur Beantwortung der Frage der Nachhaltigkeit seiner Tätigkeit nicht auf die Verwertungsseite, sondern auf die Beschaffungsseite abzustellen, da die entscheidende Tätigkeit der Ankauf von (gegebenenfalls gesicherten) Forderungen ist, nicht hingegen das Ob und Wie ihrer Einziehung beziehungsweise der Verwertung der für sie bestellten Sicherheiten. Die Wiederholungsabsicht muss sich daher darauf beziehen, wiederholt (das heißt mindestens mit zwei getrennten Erwerbsgeschäften) Forderungen zu erwerben. Der Erwerb mehrerer Forderungen in einem einzigen Vertrag ist danach grundsätzlich nicht nachhaltig. Abweichendes kann in einem solchen Fall allenfalls dann gelten, wenn der Steuerpflichtige auf der Einziehungs- beziehungsweise Verwertungsseite ausnahmsweise besondere Aktivitäten entwickelt, die seine Tätigkeit insgesamt als Gewerbebetrieb erscheinen lassen, wie etwa eine besondere büromäßige Organisation und die Anstellung von Personal5.

An diesen Grundsätzen hält der Bundesfinanzhof fest. In den Fällen, in denen es um die Beurteilung der Tätigkeit eines Forderungskäufers geht, kann es nicht auf die Absatzseite ankommen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit nicht auf den Umschlag von Sachwerten gerichtet ist, wobei weder die Einziehung von Forderungen bei Fälligkeit noch die Verwertung von Sicherheiten eine Veräußerung darstellt6. Ebenso wenig überzeugt der Einwand, es hänge oftmals vom Zufall oder von Umständen ab, die der Steuerpflichtige nicht beeinflussen könne, ob der Forderungserwerb in einem Vertrag oder in mehreren Verträgen erfolge. Denn als Vertragsbeteiligter hat der Steuerpflichtige sehr wohl Einfluss auf die Wahl seiner Vertragspartner, die Vertragsgestaltung sowie die zeitliche Abfolge der von ihm getätigten Forderungserwerbe.

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Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg7 zutreffend maßgeblich darauf abgestellt, dass die Personengesellschaft in einem Zeitraum von Dezember 2004 bis Oktober 2006 sechs selbständige Kauf- oder Ablöseverträge mit verschiedenen Altgläubigern geschlossen hat, von denen fünf Verträge vollständig und ohne Leistungsstörungen abgewickelt wurden. Dass es in Anbetracht dieser Umstände von einer nachhaltigen Tätigkeit der Personengesellschaft ausgegangen ist, unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

Ebenfalls ohne Rechtsfehler ist das Finanzgericht im Rahmen einer umfassenden Würdigung der besonderen Gegebenheiten des Streitfalls zu der Überzeugung gelangt, die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb sei nicht überschritten.

Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt8. Der Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3 AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen und Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird „die Vermögensverwaltung“ gleichwohl nicht abschließend definiert. Sie wird in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs letztlich negativ danach bestimmt, „ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht“9.

Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist10. Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das „Bild des Gewerbebetriebs“ durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Zu diesen gehören die -selbständig und nachhaltig ausgeübten- Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler11.

Das „Bild des Handels“ ist durch die Ausnutzung substantieller Werte durch Umschichtung von Vermögenswerten gekennzeichnet; es unterscheidet sich von der „Vermögensumschichtung im Rahmen privater Vermögensverwaltung“ durch den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten12. Ob Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten13.

Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Tätigkeit einer Personengesellschaft, die Darlehens- und Kreditforderungen sowie zugehörige Sicherungsrechte gegen eine in Insolvenz befindliche GmbH zu einem erheblich unter dem Nennbetrag liegenden Kaufpreis erworben hatte, hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Verwertung von Sicherheiten keine Veräußerung darstellt, wie sie für einen marktmäßigen Umschlag eines Händlers erforderlich sei. Es handele sich lediglich um die zwangsweise Einziehung der fälligen Forderung durch Verwertung der für ihren Ausfall bestellten Sicherheiten14.

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Das „Bild des gewerblichen Dienstleisters“ ist durch ein Tätigwerden für Andere, vor allem ein Tätigwerden für fremde Rechnung geprägt15. Im Zusammenhang mit der gewerblichen Dienstleistung hat das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Vermögensverwaltung in Gestalt einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (vgl. § 14 Satz 3 AO) keine rechtliche Bedeutung. Gewerblicher Dienstleister kann auch sein, wer keinerlei „Früchte aus Substanzwerten zieht“16.

Ausgehend von diesen Erwägungen hat der Bundesfinanzhof in Ansehung der Tatsache, dass der Factor beim echten Factoring weder einen Handel mit Forderungen betreibt noch eine Dienstleistung gegenüber Dritten erbringt, entschieden, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen ist, ob seine Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt17.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zutreffend angenommen, dass die Tätigkeit der Personengesellschaft nicht der eines gewerblichen Dienstleisters ähnelt, weil die Personengesellschaft nicht für Andere tätig geworden ist. Sie hat das komplette Ausfallrisiko in Bezug auf die erworbenen Forderungen getragen. Dementsprechend standen -anders als zum Beispiel beim unechten Factoring- Dienstleistungselemente nicht im Vordergrund ihrer Tätigkeit.

Ebenso zutreffend hat das Finanzgericht erkannt, dass die Personengesellschaft, die keine der unter Nennwert erworbenen Forderungen verkauft hat, nicht als Forderungshändlerin tätig geworden ist. Dabei hat es -ohne dass dies zu beanstanden wäre- als weitere wesentliche Tatsache berücksichtigt, dass die Ankäufe der Forderungen und Sicherungsrechte durch die private Nähebeziehung der Treugeberin zu den Forderungsschuldnern motiviert waren, und hieraus den Schluss gezogen, dass das persönliche, zum Teil familiäre Umfeld dem Bild eines Gewerbetreibenden, der sich regelmäßig mit seiner Leistung auf einem breiten Markt bewege, widerspreche. Diese Würdigung lässt keine Rechtsfehler erkennen, insbesondere keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, zumal das Finanzgericht ebenso berücksichtigt hat, dass die Personengesellschaft keinerlei Aktivitäten zur Beitreibung der Forderungen unternommen hat.

Zu Recht hat das Finanzgericht angenommen, dass es im Streitfall an einem händlertypischen Umschlag der erworbenen Forderungen fehlt, weil die Personengesellschaft die notleidenden Forderungen nebst Sicherheiten zwar erworben, diese aber nicht weiterveräußert hat. Der hiergegen unter Hinweis auf § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vorgebrachte Einwand des Finanzamtes, das Finanzgericht habe verkannt, dass die Einlösung einer erworbenen Forderung im Wege einer „Verrechnung“ einer Veräußerung im Hinblick auf die Erzielung von Substanzgewinnen aus Wertänderungen von Kapitalansprüchen gleichzustellen sei, greift nicht durch. Denn der Veräußerungstatbestand in § 20 Abs. 2 EStG einschließlich der in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG enthaltenen Veräußerungsfiktionen orientiert sich nicht an dem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht18.

Das Finanzgericht hat zudem -ohne dass dies zu beanstanden wäre- darauf abgestellt, dass sich die Personengesellschaft nach dem Erwerb der Forderungen weder aktiv um die Forderungsrealisierung bemüht noch für die Überwachung ihrer Zahlungsansprüche eigene Mitarbeiter beschäftigt oder eigene Büroräume unterhalten hat. Dies zeigt nicht nur, dass sie gänzlich anders agiert hat als ein Inkassounternehmen, sondern auch, dass ihre Tätigkeit durch die private Nähebeziehung zum Forderungsschuldner E beeinflusst war.

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Das Finanzgericht hat ferner die Tatsache, dass die Personengesellschaft ausschließlich notleidende Darlehensforderungen nebst zugehöriger Sicherheiten angekauft hat, in seine Würdigung einbezogen. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes musste das Finanzgericht nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Personengesellschaft nachhaltig zahlungsgestörte Darlehensforderungen nebst Sicherungsrechten erworben und im Anschluss hieran Tilgungs- oder Zinsleistungen beziehungsweise Zahlungen aus der Verwertung von Sicherungsrechten erhalten hat, zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit gelangen. Denn die Tätigkeit der Personengesellschaft kann nach Maßgabe der dargelegten Rechtsprechungsgrundsätze nicht unabhängig von den konkreten Umständen des Streitfalls als gewerblich angesehen werden.

Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Aspekt der Fruchtziehung in Gestalt von Zinsen aus einer Kapitalnutzung in den Fällen des Erwerbs zahlungsgestörter Darlehensforderungen regelmäßig nicht im Vordergrund steht. Ist die Tätigkeit des Forderungskäufers -wie im Streitfall- nicht auf die weitere Verwertung der Forderungen durch Verkauf ausgerichtet, zielt sie vornehmlich auf eine Anspruchsrealisierung. Auch wenn im Zeitpunkt des Forderungserwerbs Zinszahlungen, Tilgungsleistungen und Erträge aus der Verwertung von Sicherheiten ungewiss sind, so geht die Erwartung des Forderungskäufers gleichwohl dahin, dass es -neben etwaigen Zinszahlungen- zu Teil(rück)zahlungen und Erlösen aus der Verwertung von Sicherheiten kommt und diese seine Anschaffungskosten übersteigen. Dass sich die Fruchtziehung nicht in einem laufenden (wiederkehrenden) Ertrag (Zinsen oder Dividenden) charakterisiert, sondern in der Differenz zwischen gezahltem Kaufpreis und Teilrückzahlung beziehungsweise Ertrag aus der Verwertung von Sicherheiten, führt nicht zur Annahme eines Gewerbebetriebs. Denn die Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Ertragserwartung in der Anspruchsrealisierung liegt19.

Aus dem gleichen Grund geht auch der Hinweis des Finanzamtes auf die Ausführungen im Anhang zum Jahresabschluss der Personengesellschaft zum 31.12.2006 ins Leere, aus dem es ableiten will, dass der Fokus der Tätigkeit nicht auf der Erzielung von Zinseinnahmen, sondern von Substanzgewinnen gelegen habe. Zudem handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen ist20.

Aus der sogenannten Verklammerungsrechtsprechung21 folgt -entgegen der Auffassung des Finanzamtes- ebenfalls kein anderes Ergebnis. Insbesondere stützt diese Rechtsprechung nicht den Schluss, die Annahme einer vermögensverwaltenden Tätigkeit scheide im Streitfall aus, weil die Umschichtung von Vermögenswerten gegenüber der Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund trete. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sich -wie das Finanzamt vorträgt- aus der Gegenüberstellung von Zinseinnahmen und Finanzierungskosten ergibt, dass die Personengesellschaft hieraus keine Überschüsse erzielt hat. Denn im Streitfall fehlt es an einem Geschäftskonzept der Personengesellschaft, das darin besteht, (zahlungsgestörte) Forderungen zu kaufen, zwischenzeitlich zu halten und zu verkaufen, wobei bereits bei Aufnahme der Tätigkeit festgestanden hat, dass sich das erwartete positive Gesamtergebnis nur unter Einbeziehung des Erlöses aus dem Verkauf der Forderungen erzielen lässt22.

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes musste das Finanzgericht dem Umstand, dass die erworbenen Darlehensforderungen Nennbeträge in teils erheblicher Höhe auswiesen, keine ausschlaggebende Bedeutung beimessen. Der Einsatz umfangreicher finanzieller Mittel kommt bei Kapitalanlagen sowohl in der betrieblichen als auch in der privaten Sphäre vor. Dabei ist kein Rechts- oder Erfahrungssatz ersichtlich, dass mit steigendem Kapitaleinsatz (zwingend) der Übergang zur gewerblichen Betätigung einhergeht. Die „Höhe des Anlagevolumens“ und dementsprechend auch die „Höhe des Nennbetrags der erworbenen Darlehensforderungen“ ist zudem auch wegen ihrer Unbestimmtheit kein geeignetes Abgrenzungskriterium23, zumal der Nennbetrag einer zahlungsgestörten Forderung wenig über Umfang und Risiko des Forderungskaufs aussagt.

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Auch aufgrund der Tatsache, dass die Forderungserwerbe überwiegend fremdfinanziert waren, musste das Finanzgericht nicht zur Annahme einer Gewerblichkeit gelangen. Zwar hat der Bundesfinanzhof den Einsatz erheblicher Fremdmittel beim Handel mit physischem Gold -anders als im Zusammenhang mit dem Wertpapierhandel oder im Rahmen der Vermietung und Verpachtung- als Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit angesehen, weil sich infolge der Ertraglosigkeit des Anlageobjekts die Fremdkapitalkosten allein durch den Verkauf und das Erzielen einer Gewinnmarge decken ließen24. Diese Überlegungen sind indes -anders als das BMF in der mündlichen Verhandlung vertreten hat- auf die Tätigkeit der Personengesellschaft schon deshalb nicht übertragbar, weil die Personengesellschaft ihre Fremdkapitalkosten nicht aus dem Verkauf der Forderungen decken wollte, sondern sie auf eine (teilweise) Forderungsrealisierung hoffte. Daher kommt es -entgegen der Auffassung des BMF- für die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb hier auch nicht darauf an, ob die Personengesellschaft erwarten konnte, die Fremdkapitalkosten durch Zinserträge decken zu können, oder ob dies -infolge der Höhe der Kosten sowie des Ausfallrisikos der erworbenen Forderungen und Sicherheiten- unrealistisch war. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Fremdfinanzierung der Forderungskäufe nicht das Risiko der Investition erhöht hat, sondern allein Einfluss auf deren Ertragsaussichten hatte. Diese Tatsache ist indes nicht geeignet, eine gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft zu begründen.

Gleiches gilt hinsichtlich des Umstands, dass die Personengesellschaft im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit möglicherweise auf die Kenntnisse und die Expertise des E zurückgreifen konnte. Denn allein die Nutzung fremder (Markt-)Kenntnisse, Erfahrungen und Expertisen sowie die Inanspruchnahme fremder Dienste begründen noch kein hinreichendes Indiz für einen Gewerbebetrieb25.

Ebenfalls zutreffend hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass die Personengesellschaft -wäre sie als gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG anzusehen- nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.

Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 EStG gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht. Dies gilt unabhängig davon, ob die gewerblichen Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 positiv oder negativ sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 2 EStG).

§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG in der am 18.12.2019 rückwirkend in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften26 -WElektroMobFördG- findet im Streitfall Anwendung, weil der Bundesfinanzhof während des gerichtlichen Verfahrens eingetretene rückwirkende Gesetzesänderungen zu beachten hat, soweit diese -wie diejenige des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG- verfassungsrechtlich zulässig sind27.

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Ob § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des WElektroMobFördG im Streitfall ebenfalls Anwendung finden könnte oder ob insoweit eine verfassungswidrige Rückwirkung vorläge, kann der Bundesfinanzhof mangels Entscheidungserheblichkeit dahingestellt lassen.

Ebenso kann unentschieden bleiben, ob die Personengesellschaft aus der L-GmbH & Co. KG (oder anderen Beteiligungen) Beteiligungserträge im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezogen hat, die im Streitjahr zu einer sogenannten Aufwärtsabfärbung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 und Satz 2 EStG geführt haben. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, so wäre die Personengesellschaft gleichwohl nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb anzusehen28. Der allein streitgegenständliche Gewerbesteuermessbescheid des Streitjahres wäre somit auch bei Vorliegen einer Aufwärtsabfärbung aufzuheben gewesen.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 30. November 2023 – IV R 10/21

  1. BFH, Beschluss vom 25.06.1984 – GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III. 3.b aa (1); seitdem ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 31.05.2007 – IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II. 2.; vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 23 ff.; vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 26 ff.[]
  2. z.B. BFH, Urteile vom 19.02.2009 – IV R 10/06, BFHE 224, 321, BStBl II 2009, 533; vom 22.07.2010 – IV R 62/07, Rz 36; vom 14.09.2017 – IV R 34/15, Rz 29[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 08.06.2017 – IV R 30/14, BFHE 258, 403, BStBl II 2017, 1061[]
  4. z.B. BFH, Urteil vom 09.12.2002 – VIII R 40/01, BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294; vgl. ferner BFH, Urteile vom 15.04.2004 – IV R 54/02, BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868, unter II. 2.; vom 08.06.2017 – IV R 30/14, BFHE 258, 403, BStBl II 2017, 1061, Rz 43; vom 14.09.2017 – IV R 34/15, Rz 30[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 14.09.2017 – IV R 34/15, Rz 33[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 14.09.2017 – IV R 34/15, Rz 31 f.[]
  7. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.03.2021 – 6 K 6322/17[]
  8. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH (GrS), Beschluss vom 10.12.2001 – GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III. 1., m.w.N.[]
  9. z.B. BFH, Urteil vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 27, m.w.N.[]
  10. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 10.12.2001 – GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.II., m.w.N.[]
  11. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 15.03.2005 – X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817, unter B.II. 1.b; vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 28; vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 28, m.w.N.[]
  12. z.B. BFH, Urteile vom 31.05.2007 – IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II. 2.b; vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 29, m.w.N.[]
  13. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 31.05.2007 – IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II. 2.a; vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 29; vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 29[]
  14. BFH, Urteil vom 14.09.2017 – IV R 34/15, Rz 32; kritisch hierzu Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 15 Rz 132a[]
  15. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 29.10.1998 – XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448, unter II. 2.b; vom 20.12.2000 – X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II. 3.f; vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 39; vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 30[]
  16. BFH, Urteile vom 20.12.2000 – X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II. 2.e aa; vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 30[]
  17. im Einzelnen BFH, Urteil vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 41; vgl. auch BFH, Urteil vom 14.09.2017 – IV R 34/15, Rz 31[]
  18. vgl. BFH, Urteil vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 36, zu § 23 EStG; im Ergebnis ebenso Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1174[]
  19. vgl. auch BFH, Urteil vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 44, zum Ankauf gebrauchter Lebensversicherungen[]
  20. z.B. BFH, Urteil vom 09.05.2017 – VIII R 15/15, BFHE 258, 68, BStBl II 2017, 956, m.w.N.[]
  21. vgl. BFH, Urteil vom 28.09.2017 – IV R 50/15, BFHE 259, 341, BStBl II 2018, 89[]
  22. vgl. BFH, Urteil vom 28.09.2017 – IV R 50/15, BFHE 259, 341, BStBl II 2018, 89, Rz 27 ff.[]
  23. vgl. BFH, Urteil vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 45[]
  24. vgl. BFH, Urteil vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 37[]
  25. vgl. BFH, Urteil vom 11.10.2012 – IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538, Rz 46[]
  26. vom 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451[]
  27. vgl. BFH, Urteile vom 30.06.2022 – IV R 42/19, BFHE 278, 42, BStBl II 2023, 118, Rz 28, 30; vom 05.09.2023 – IV R 24/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 54, m.w.N.[]
  28. vgl. BFH, Urteile vom 06.06.2019 – IV R 30/16, BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649, Rz 19, 40; sowie vom 05.09.2023 – IV R 24/20[]
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